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In die Wüste geschickt

Mai 02, 2021

Leise und gedämpft rollen die Wellen des Pazifik in die sandige Bucht hinter uns. Um uns herum breitet sich die Atacamawüste in kleinen Sanddünen bis zum Horizont aus. Hinter einem dunstigen Schleier des ewigen Pazifiknebels beleuchtet die letzte Abendsonne gerade noch die Berge in der Ferne. Der Himmel über dem Meer in ein tiefes Stahlblau getaucht. Uns bleibt gerade nicht so der Blick für die Kulisse, denn unser Womo steckt im Sand fest. Bei der Suche nach dem besten Platz für die Nacht, einmal falsch eingeschätzt, war der Sand doch zu tief. Immer wieder Sand wegschaufeln, die Auffahrböcke vor die Räder platzieren, dann 10 cm voran und das ganze von vorne. Schauen, welches Rad sich gerade am meisten in den Sand gräbt und wo der Weg etwas festeren Untergrund hat. Zentimeter für Zentimeter und doch schweift mein Blick immer wieder zum Meer. Dort sind Piqueros oder Sturmvögel oder Gannets, wie auch immer man sie nennt, unterwegs. Sie schießen wie Pfeile vom Himmel ins Meer. Zielsicher und pfeilschnell stürzen sie sich kopfüber auf ihr Abendbrot, den ein oder anderen Fischschwarm. Ich kann mich dem Anblick nicht entziehen, wie sich Dutzende, manchmal 4 oder 5 gleichzeitig plötzlich aus dem Schweben in den senkrechten Sturzflug begeben, die Flügel erst ausgebreitet, um dann wie ein Pfeil ins Wasser zu tauchen. Ich habe schon mal von diesen Vögeln berichtet, vor ein paar Jahren in Schottland haben uns die Gannets schon begeistert. Irgendwann ist es geschafft und das Womo zieht sich, dank eines erfahrenen Mannes im Cockpit, aus dem dicken Sand und wir schlafen ein paar Meter vom weißen Sandstrand mit Meeresrauschen ganz wunderbar.
Weiter nach Norden wird die Küste immer karger, rote Sanddünen Geröllwüste, in vielen Farben schattierende Berge aus mineralischem Gestein ziehen sich aus dem Landesinneren bis an den Pazifik. Die Straße führt uns immer nah am Meer entlang. In Australien heißt sowas Ocean Road, in Chile steht diese Küstenstrecke in keinem Reiseführer, ist eben einfach da. Die Küste mit dem kalten Humboldtstrom, sehr fischreich, ist ein Paradies für Seevögel und Meerestiere. Unser Blick aufs Meer wird immer wieder mit Ausblicken auf die Fauna belohnt…Kormorane, Seelöwen, Delfine und sogar Wale gabs zu beobachten.


Die Atacama Wüste verlangt uns und dem Womo so einiges ab. An der „mano del desierto”, einer Skulptur, die mahnt mit den Umweltsünden aufzuhören, damit die Erde nicht überall zu einer Wüste wird, biegen wir landeinwärts auf kleine Pisten ab. Die Strecke führt uns mitten durch die riesige Mine Zaldivar. Wir fahren über viele Kilometer an durchsiebten und wieder aufgeschütteten Gesteinsbergen vorbei, auf denen extra große Monsterlaster, die 400 t Gestein in ihren Mulden transportieren, wie Matschboxautos wirken. Chile fördert das meiste Kupfer weltweit, im Jahr 2020 waren es 5,7 Millionen Tonnen. Auch bei Gold, Silber und Lithium ist Chile ganz vorne dabei. Es sind sicherlich mit die lukrativsten Jobs hier und in jeder Familie gibt es Mineros, so wie wir oft hören. Und während wir auf einer staubigen Waschbrettpiste durchrütteln, wirkt die Mine mit feinsten geteerten Straßen, auf denen Busse die Mineros transportieren, wie eine eigene riesige Industriestadt. Fast zwei Tage rütteln wir über übelste Pisten und haben erst kurz vor San Pedro de Atacama das Gelände der Mine wieder verlassen. Unterwegs sehen wir viele Brunnen, Pumpstationen und endlose Pipelines, die die großen Mengen Wasser für die Minen befördern. Und nicht nur Wasser wird benötigt, Umspannwerke, Strommasten durch wunderschöne andine Landschaft und Solarparks zeigen den Energiebedarf der Mine auf. Ein umstrittenes Thema, was uns auf dem Weg beschäftigt, ebenso wie die staubige Piste. Das Womo sieht aus wie nach der Rallye Dakar und ist außen wie innen bis in einige Schränke mit einer Staubschicht überzogen und den Rest geben uns einige kaputte Wasserpipelines, die den roten Staub in roten Schlamm und Wasserpfützen verwandeln. Eine Herde Vicunas schaut neugierig zu als wir im Schlamm stecken bleiben und wieder mal mit Schaufel und Steinen die Piste präparieren, damit es weiter geht.




Die Wüstenstadt San Pedro de Atacama liegt am riesigen Salar de Atacama auf 2400m über Null umgegeben von einer Kette Vulkane, die bis an die 6000 m aufragen. Eine besondere Attraktion ist das höchstgelegene Geysir Feld der Welt auf 4300m. Also auf in die Berge. Der Ausblick ist der Hammer, vorbei an Andenlagunen in denen Herden von Vicunas grasen, kommen wir nah an die schneegepuderten Berge und Vulkane, hinter denen das Nachbarland Bolivien beginnt, und schrauben uns in die Höhe. Der Plan ist hier oben zu übernachten und dann früh am Morgen, wenn die Geysire am besten dampfen zwischen ihnen umherzuwandern. Schon in der Anfahrt sehen wir einige Dampfwolken aus der Erde aufsteigen. Aber flötepiepen, El Tatio ist wegen Corona geschlossen. Ein sehr netter Mitarbeiter erklärt uns einiges zu den Geysiren und lässt uns vor der Anlage parken, damit wir am nächsten Morgen aus der Ferne einen Blick auf die dampfenden Geysire werfen können. Dazu nennt er uns noch einen frei zu besichtigen „Free Gyser“. Er warnt uns allerdings auch, dass es sehr kalt werden wird in der Nacht. Wir haben ja das Womo mit allem Komfort, denken wir. Als wir dann unsere Heizung für einen gemütlichen Abend starten wollen, steigen nur noch graue Wölkchen aus dem Gerät und nach verzweifelten neuen Startversuchen sagt die Anlage nur noch Error. Oh man, also mit vielen Klamotten in den Schlafsack und hoffen, dass nicht alles einfriert in einer Nacht mit 11 Grad minus. Bei Sonnenaufgang alle warmen Klamotten an, die wir haben und raus in ein nebeliges morgendliches Dampfbad. Dazu gibt es noch ein Fußbad in einem heißen Fluss, gespeist von 90 Grad warmem Vulkanwasser, Smilla ist sehr irritiert, warmes Flusswasser schmeckt ihr nicht. Gott sei Dank springt das Womo an, mit der dünnen Luft hier oben keine Selbstverständlichkeit. Auf dem Weg wieder runter entscheiden zwei etwas kopfschmerzgeplagte und unausgeschlafene Reisende dann noch auf eine Alternativroute abzubiegen, vor der ein Schild steht „ camino en mal estado“. Diese stellt sich am Ende eigentlich als komplett weggespült von irgendeinem Jahrhundertregen dar und wir sehen uns einige Male am Ende. Unglaublich wo unser Womo uns überall hin und durch bringt.

Aber trotz der ganzen Abenteuer, es ist es wert und das zeigen sicherlich am besten die Bilder, die Natur, die Farben, die Berge und die Weite der Wüste….


Noch ein Nachtrag:


Wir haben lange überlegt, ob wir diesen Beitrag veröffentlichen sollen oder nicht, wo doch gerade die Welt in Sorgen und Chaos aufgeht ( ….und ihr vielleicht denkt, ach die beiden da in Chile wieder).

Aber diese Zeit ist doch auch eine Chance nachzudenken, zu verändern und mit einem neu gewonnene Wirgefühl wirklich etwas zu bewegen. Deshalb doch dieser Bericht. Den Blick wieder auf das Leben richten, weil das wachsen wird worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten. Leben ist wunderschön, das zeigt sich für uns, wenn wir als winziger kleiner Punkt in dieser gewaltigen und einzigartigen Natur stehen und klar wird, wer das sagen hat. Leben ist Risiko und ohne dieses Risiko können wir das Geschenk nicht annehmen.


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