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Mit Jesus an die Cordillera

Apr. 08, 2021

Wir hoffen ihr hattet schöne Osterfeiertage. Wir haben auch ganz klassisch mit unseren Schweizer Freunden am Ostersonntag gebruncht, auf der Terrasse. Es wird ganz langsam etwas herbstlich, das Laub an den Bäumen beginnt sich zu verfärben, die Nächte werden kühler, die Tage kürzer und während die Ernte im Gemüsegarten langsam zurückgeht, ernten wir Äpfel, Birnen, Trauben und Walnüsse. Immer noch ein verwirrendes Gefühl, wenn Ostern im Herbst stattfindet, wo es für uns gefühlt doch mit dem beginnenden Frühling verknüpft ist. Die Lichtstimmungen erinnern uns an die erste Zeit im Hurtadotal, als wir noch mit dem Womo etwas weiter unten im Tal standen. Ein Jahr ist es her, Wahnsinn.
Und immer noch gibt es sooo viel zu endecken. Kimmy hat ja schon berichtet, dass wir uns einen „neuen“ fahrbaren Untersatz zugelagt haben. Sagen wir mal so, es ist ein ortsübliches Fahrzeug, was man hier für Transporte, die tägliche Campoarbeit und die rumpeligen Pisten braucht. Ein etwas in die Jahre gekommener und schon viel benutzter Pick-Up. Seinen Namen hatte er automatisch gleich weg. … auf der Windschutzscheibe klebt ein Jesus Tatoo, am Rückspiegel baumelt eine ganze Armada Glücksbringer vom bunten Alpaca bis zu biblischen Sprüchen, diverse Heiligenbilder und Glücksmünzen im Handschuhfach vervollständigen das Programm. Natürlich erhalten wir den Schlüssel für das Auto vom Verkäufer auch noch mit einem Glückbringer, einem Minero (Minenarbeiter) Helm. Ihr seht, es kann nichts schiefgehen oder fragen wir uns, brauchen wir so viel göttliche Unterstützung bei diesem Auto.
Etwas was wir schon ganz lange machen möchten, kann jetzt mit dem geeigneten Auto in Angriff genommen werden. Wir fahren an die Cordillera, ganz an das Ende oder den Anfang des Hurtado Tals, an den Andenhauptkamm, rauf auf 4000 m Höhe, dahin wo Chile an das Nachbarland Argentinien grenzt. So packen wir unsere Campingsachen mit Zelt, Schlafsack, Kocher und gut zu Essen und zu Trinken ein. Der Benzin-Kocher wollte uns einen Tag vor der Tour noch einen Strich durch die Rechnung machen, sehr lange nicht mehr benutzt, war eine Dichtung kaputt und er wollte nicht brennen. Da wir uns aber nicht vorstellen können ohne warmes Essen und Tee eine kalte Nacht da oben zu verbringen, bastelt Christian so lange daran rum, bis er wieder funktioniert.
Von unserem Campo aus geht es durch die kleinen Orte El Chanar und Las Breas in Richtung der letzten 40 km bis zur Grenze. Dieses ganze Gebiet gehört einem Chilenen. So ist das hier in Chile, jeder Berg jedes Stückchen Land oder Natur gehört wem. Hier im Tal besaßen und besitzen immer noch einige Wenige sehr sehr große Gebiete, sind also sehr reich an Grundbesitz und können oft vom Verkauf oder Verpachtung gut leben aber natürlich auch von der Bewirtschaftung. Wir halten also an der Hacienda El Bosce, um uns für die Fahrt an die Cordillera die Erlaubnis zu holen. Die Hacienda ist ein wunderschönes altes koloniales Gebäude mit einer großen schattigen Veranda vorne und Durchgang zu einem Innenhof, ich fühle mich immer ein bisschen an „Das Geisterhaus“ von Isabell Allende erinnert. Das Ganze eingebettet in riesige Walnussplantagen. Der Chef kommt uns auch gleich in der Tür entgegen, wir werden ins Büro geleitet und müssen den stolzen Touristenpreis von umgerechnet 25 Euro pro Person zahlen. Die Preise von Don Peres sind berüchtigt. Er verpachtet sein Land und dortige Almen auch an viele Ziegenhirten, doch viele können sich seine Preise schon lange nicht mehr leisten. Auf dem Weg weiter hoch kommen uns Hirten auf Pferden entgegen und der Aufseher von Don Peres kontrolliert unseren Erlaubnisschein. Der Weg schlängelt sich entlang des Rio Hurtado, zu Beginn ist das Flussufer noch reich an grüner Vegetation, Weiden und Alerces und wir müssen immer wieder mal durch das Flussbett furten. Stetig zieht sich der steinige, schmale Weg bergan.  Riesige wie hingeworfene Felsbrocken in einer immer kargeren Landschaft und einem immer engeren Tal. Dann öffnet sich das Tal wieder, weite Wiesen, die mit Wasserläufen vom Fluss gespeist durchzogen sind. Knallrote Steine in den plätschernden Flüsschen und ebenso bunt die Berge die weiter hinten in der Aussicht auftauchen. Wir stoppen unendlich viele Male, um zu schauen, zu staunen, die Ruhe hier oben zu genießen und ich kann nicht aufhören zu fotografieren. Nichtsdestotrotz zieht es uns voran, wir wollen ja so weit hoch wie möglich. Ein wenig Schnee blitzt auf der ein oder anderen Bergspitze und schließlich liegt ein schon weit erodierter roter Berge vor uns, an dem sich unendlich viele Wege nach oben ziehen. Wir kurven immer weiter hoch, Jesus macht mit. Schau mal da liegt der erste Schnee am Wegesrand und unglaublich es wird immer mehr auf dem Weg. Wir ackern uns erst mal etwas durch, bis es doch arg rutschig ist. Keine Leitplanke oder irgendwas, nur noch direkt abwärts sollte man vom Weg abkommen. Irgendwann wir die Schneeschicht zu dick, nur noch 300 Höhenmeter trennen uns vom Pass. Wir gehen noch etwas zu Fuß weiter und Smilla hat ihren Spaß beim Toben durch den Schnee. Die Aussicht ist einfach grandios. Zum Übernachten suchen wir uns einen Platz am Fluss und die Sonne verschwindet schnell hinter den Bergen. Es wird richtig kühl und ich krieche in den Schlafsack und auf die Rücksitzbank, während Christian uns etwas Warmes kocht. Mit Blick auf die umliegenden Berge sitzen wir warm eingepackt im Auto, mit einem Teller dampfenden Nudeln und Ratatouille in der Hand und beschließen einfach im Auto zu schlafen. Jesus hat vorne auch eine durchgehende Sitzbank. Was soll ich sagen, es wird eine unruhige Nacht, die Sitzbank doch zu kurz und zu eng, immer wieder wach (allerdings mit einem Ausblick auf einen großartigen Sternenhimmel), etwas Kopfweh wegen der Höhe, bitterkalt den Schlafsack bis über die Ohren gezogen und einen vor Kälte schlotternden Hund. Die kleinen Wasserläufe sind am Morgen mit einer Eisschicht überzogen. Doch die aufgehende Sonne zaubert wunderbares Licht, taut uns mit einer Tasse Kaffee in der Hand schnell wieder auf und die Nacht ist schnell vergessen. Das Campen in der Natur ist uns vertraut und wir stellen wieder fest, wie sehr wir es mögen neue Landschaften zu entdecken. So herrlich einsam. Wir haben gar nicht darüber nachgedacht, was passiert, wenn Jesus jetzt nicht anspringen sollte, hier auf knapp 4000 m Höhe natürlich auch nicht in Rollrichtung abwärts geparkt. Wann kommt hier überhaupt wer vorbei? Das würde wohl ein paar Stunden Fußmarsch bis zur nächsten besetzten Alm bedeuten. Aber Jesus hat uns nicht im Stich gelassen. Bei der Weiterfahrt nochmal ein Blick auf einen Gletscher, ach wir werden wieder kommen und einfach mal ein paar Tage hier oben bleiben.

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