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Reisealltag auf der Carretera Austral oder im Regenwald da regnets halt

1. Februar 2020

Wir sind in Chile nun gute 2 Wochen auf der Carreterra Austral unterwegs nach Norden. 1200 km lang verbindet diese Straße die entlegenen Orte im Süden mit den zentralen Regionen. Einst eine wahnwitzige Idee Pinochets ist es auch heute noch ein ständiges Projekt diese Strecke zu erhalten und der übermächtigen Natur Einhalt zu gebieten, der man die Strecke abgerungen hat. So verlangt die Strecke auch dem Reisenden einiges ab. Auf den nichtgeteerten Abschnitten fährt man in einer ständigen Staubfahne und wir haben zu tun das Womo innen und außen immer wieder von Staubschichten zu befreien. Abschnitte der Straße werden für Bauarbeiten immer mal wieder für Tage gesperrt oder auch für Monate, wenn eine Schlammlawine sich aus den Bergen ins Tal gewälzt hat oder einer der Vulkane spuckt. Toi, toi, toi bis jetzt alles bene. Die Landschaft hat sich hier auf der Ostseite der Anden sehr verändert. Die unzähligen Bergketten sind grün bewaldet, in machen Tälern fühlen wir uns mit grünen Wiesen an das Allgäu oder von rauschenden Bergflüssen an Österreich erinnert. Je weiter wir in den Seitentälern der Carreterra zum Pazifik vorstoßen stehen wir im kalten Regenwald. Ha, kenne ich, denkt ihr jetzt, Limbergparkplatz im November bei Dauerregen. Nein, es ist anders. Ein undurchdringliches Grün aus Riesenfarn, Riesenrarbaber, Südbuche mit ihren kleinen Blättern, Bambus, baumhohen leuchtendroten Fuchsienbüschen und allerlei Zeugs, das nur ein Botaniker kennt. Der Gesang der Huit-Huit und Wet-Wet klingt wie ihr Name und völlig exotisch in unseren Ohren. Wir halten immer wieder Ausschau nach kleinen flatternden Colibris. Überall rauscht Wasser über moosbewachsene Steine aus Wasserfällen, die gespeist werden von abschmelzenden Gletschern. So klares Wasser, das wir unsere Kanister und Tanks damit füllen können. Ja wir trinken Wasser aus Seen, Wasserfällen und Flüssen. Während man in Deutschland dem Wasser aus dem Hahn mancherorts nicht traut, haben wir hier gelernt, das Wasser nach anderen Kriterien zu beurteilen: Aussehen, Geruch, Ablagerungen und Geschmack… und dass Wasser, welches andere Menschen trinken uns auch nicht umbringt.
Es ist mittlerweile Hochsaison und einiges los auf der Carretera. Viele Reiseradler strampeln steile Anstiege hoch und unser Womo wird einige Male zum Bus für die Backpacker, die im Dutzend an jeder Straßenecke stehen. Wir nutzen Abstecher in Seitentäler, in die sich nur wenige Reisende verirren. Im Valle Exploradores landen wir bei den deutschen Auswanderern Katrin und Thomas und sind beeindruckt von der Geschichte der Beiden. Wie sie nach einer Weltreise vor 20ig Jahren beschlossen irgendwo im Wald zu leben, wie ihr Auto bei der Suche genau hier den Geist aufgab und zufällig ein „se vende“ Schild an einem Grundstück stand. Sie meistern ein abgeschiedenes Leben mit ihrer Tochter, betreiben eine kleine Herberge und können sich nicht vorstellen hier weg zu gehen. Nichtmal als vor 2 Jahren ein Erdrutsch die Straße ins Tal wegriss und sie für 8 Monate quasi isoliert waren, hat Thomas sich geweigert in den Hubschrauber zu steigen, der sie evakuieren wollte. In Puyuhupi stoßen wir mitten in die 85 Jahrfeier des Ortes, können über die Avenida Otto Übel schlendern, ein Hopperdietzel Bier trinken und die Casa Ludwig besuchen. Der Ort wurde von 4 Deutschen gegründet, die sich dieses Stück Urwald nach den Beschreibungen von Dr. Steffen (Na wer von euch kann sich noch an den Herrn erinnern😉)  für ihre Einwanderung auswählten, weil sie das Klima hier wohl ähnlich ihrer Heimat wähnten. Sie kamen zu der Erkenntnis, dass es hier wohl nur etwas mehr regnet. Ja im Regenwald da regnets halt. Auf einem weiteren Abstecher in das abgelegene Inseldorf Raul Marin Balmaceda stehen wir im Regen am Strand und rühren uns etwa eine halbe Stunde trotz strömenden Regen nicht einen Millimeter von der Stelle, weil ein paar Meter vor  uns eine Defingruppe eine Privatshow für uns gibt. Das abgeschiedene Dorf erreicht man über 60 km Urwaldpiste und eine kostenlose kleine Fähre, vorwärts drauf- rückwärts wieder runter und umgekehrt. Das Dorf bekommt wohl gerade eine staatlich verordnete Überholung und die bisher nur vorhandenen Sandpfade im Ort werden gepflastert.
So genug erzählt, jetzt muss ich aber aufhören und rausgehen, die Sonne scheint …und hoffentlich sind diese lästigen schwarz-roten Käfer, die einen hier momentan ständig umschwirren und beißen wie blinde Fliegen, endlich weg.

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