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Die Snack-Queen zu Besuch oder wenn Deoroller ploppen.

27. März 2020

Wir haben einen Platz gefunden, an dem wir erst mal bleiben dürfen und in aller Ruhe abwarten, Informationen sammeln und dann Entscheidungen treffen können, wie es weiter gehen soll. Nachdem wir eine Nacht vor einem geschlossenen Campingplatz im Hurtado Tal gestanden haben, öffnet uns Gerhard am nächsten Morgen das Tor. Er ist mit seiner Familie vor ein paar Jahren aus der Schweiz hierher ausgewandert und besitzt ein Stück Land und eine Farm hier. Wir dürfen einen Platz am Rio Hurtado neben einem schattigen Unterstand einnehmen, der sonst für Besucher einer kleinen Pferderennbahn dient. Wir haben solch ein Glück, Gerhard und Maja stehen uns im Moment bei vielen Dingen mit Rat und Tat bei.
Heute Morgen hatten wir allerdings ein skurriles Erlebnis. Wir sind mit dem Rad 6 km in den nächsten kleinen Ort gefahren, um etwas einzukaufen. Als wir uns dem kleinen Lebensmittelladen nähern wird die Tür vor unserer Nase geschlossen. Die Leute, die gerade im Laden einkaufen verlassen ihn durch eine Hintertür. Die Besitzerin des Ladens gibt uns dann nur durch eine vergitterte Tür zu verstehen, dass sie angeblich nichts zu verkaufen hat, obwohl wir im Laden alles liegen sehen. Man hat offensichtlich sehr viel Angst vor dem Corona Virus und wir sind die Fremden. Es macht mich traurig, wie sich im Moment alles verändert. Waren doch die letzten Wochen mit Kimmy hier noch so unbeschwert, dass wir noch kurz vor ihrer Abreise überlegt haben, sie einfach in Chile zu behalten.

Hatten wir einen Spaß, als die Roller aus dem Deo auf 2500 m Höhe uns beim Öffnen einfach entgegenploppten und die Snack Queen uns on the Road mit reichlich Snacks und Musik versorgte. Haben gemeinsam geschwitzt, wenn wir bei 30 Grad Außentemperatur die Heizung auf volle Pulle stellen mussten, damit das Womo beim langsamen nach oben kriechen über die Serpentinen der Andenpässe nicht überhitzte und waren happy als das Kiten auf einem Stausee doch noch klappte. Aber von Anfang: Am ersten Tag in Santiago lief es nicht ganz so. Der erste Akt des Tages, wir haben einen platten Reifen, wie auch immer passiert, also erst Mal Reifen wechseln. Wir wollen heute auf den Aussichtsberg Cerro San Cristobal. Leider müssen wir an der Talstation feststellen, dass die Seilbahn auf den Berg gerade heute wegen Wartungsarbeiten geschlossen hat. Na gut, dann nehmen wir eben die Standseilbahn aus einem anderen Viertel. Ein Uber Taxi bringt uns unkompliziert die 5 km für umgerechnet 1, 50 € nach Bellavista. Die Standseilbahn startet am Montag aber erst um 13:00. Na gut, um die Ecke gibt es noch das Wohnhaus des berühmten Nationaldichters Pablo Neruda zu besichtigen und was soll ich sagen, es hat am Montag Ruhetag. Na gut, also eine Cola. So stehen wir irgendwann doch noch im heißen mittäglichen Smog auf dem Berg und blicken über die Stadt. Hier oben sitzt man unter einer Statue der heiligen Jungfrau und wird mit Kirchenmusik beschallt, wir fühlen uns wie auf einem Katholikentag. Für den Rückweg steigen wir in ein normales Taxi, was für ein Fehler. Der Taxifahrer zockt uns dämliche Touristen richtig ab. Ein Null zu viel an den Preis auf dem Taxameter und ein Geldwechseltrick beim Bezahlen und wir resümieren nach dem Aussteigen die Bilanz von knapp 50 Euro für die 5 km zurück. Als wir bei der Rückkehr dann noch zwei durchschnittene Riemen an den Fahrrädern am Womo vorfinden, sind wir fertig mit Santiago. Na gut und brausen direkt raus aus der Stadt ans Meer.


Sanddünen aus schwarzem Sand, der durch die Sonne wunderbar aufgewärmt wird, sodass man gar nicht mehr vom Boden aufstehen möchte. Die Wärme reicht auch noch für ein Mittagsschläfchen direkt im Sand obwohl der übliche pazifische Morgennebel die steilen Berghänge noch nicht freigeben will. Eine abenteuerliche steile ausgewaschene und rutschige Piste runter nach Puertochillo hat uns ganz schön geschockt und wir sitzen am Abend in einer chilligen Bar auf einen Drink. Im Ort findet ein Sportfest für die Kinder der Region statt und Tauziehen auf der Straße ist dran und wir bald mittendrin. Neo an und aus und das Surfbrett ausprobieren, fürs Kiten reicht der Wind nicht.

Irgendwann zieht es uns wieder in die Berge, in die zentralen Anden. Über den Pass Christo Redentor nach Argentinien.  Ein neuer Tunnel auf 3200 m entschärft den höchsten Punkt des alten Passes auf 3800 m und nach dem Tunnel ein wunderbarer Ausblick auf in vielen Farben schimmernden Berge im Abendlicht und auf den höchsten Berg Amerikas, der westlichen Hemisphäre, den Arconcagua mit seinen 6961 m. Wir stoppen am Nationalpark und Zuweg zu den Wanderrouten auf diesen Riesen. Ein sonst eisiger Wind in diesen Höhen kommt heute wie warmer Fön daher und wir beschließen uns am folgenden Tag dem Berg mit seiner eisigen Spitze etwas zu nähern. Für eine Tour zum Gipfel werden mit Akklimatisation etwa 14 Tage und natürlich Bergerfahrung benötigt. Mulis transportieren dabei Gepäck und Verpflegung in die Basislager. Von unserem Nachtlager sehen wir am späten Abend und in der Morgendämmerung schwer beladene Maultiertrupps vorbeiziehen und eine besondere Abenteuerstimmung macht sich breit. Die Übernachtungshöhe von 3000 m lässt uns etwas unruhig schlafen oder war es die Aufregung vor dem nächsten Tag? Wir werden vom Ranger eingewiesen und dürfen für unser Permit nur bis zur nächsten Hängebrücke laufen, knapp 2 Stunden. Die Landschaft ist umwerfend schön und der Blick auf den Gipfel frei. Wir laufen einfach noch etwas weiter und genießen den Ausblick. Kimmy beschließt diesen Berg irgendwann zu bezwingen oder wenigstens Ranger am Aconcagua zu werden😉. Mitten in den Bergen an einem Stausee klappt es auch noch mit dem Kiten, pünktlich immer gegen Mittag stellt sich zuverlässig durch die Thermik der passende Wind ein und verschwindet plötzlich nach ein paar Stunden wieder.
Eine Runde über Mendoza, die Weinregion Argentiniens. Wir kommen spät am Abend an und es ist unglaublich schwül und heiß, weit über 30° noch bis in die Nacht. Nach langem Suchen nach einem geeigneten Übernachtungsplatz in einer überfüllten Stadt, in der an diesem Wochenende das Fest der Weinkönigin gefeiert wird, parken wir im riesigen Park San Martin. Wir sitzen wegen der Hitze mit unseren Klappstühlen neben dem Womo auf dem Gehweg und regen uns über die laute Musik der umliegenden Clubs auf, bis wir begreifen das ein riesiger Umzug mit beleuchteten und geschmückten Wagen zu Ehren der Weinkönigin durch die Stadt zieht. Nun sind wir doch interessiert. Und nachdem wir ein paar Nachforschungen anstellen ist klar, morgen Vormittag gibt es nochmal einen Umzug. Also los, etliche Kilometer ziehen wir durch die Stadt. Bunt geschmückte Wagen und Tänzer, laute Musik, weintraubenwerfende Königinnen und Gauchos in traditioneller Kluft zu Pferd. Am Nachmittag ist es wieder so heiß, dass wir nur im Schatten der Bäume im Park vor uns hindösen und zum Abend schon wieder in die etwas kühleren Berge außerhalb der Stadt flüchten. Auf dem Rückweg nach Chile wollen wir es doch nochmal über den alten Pass Cristo Redentor auf 3800 m wagen. Wir wollen früh los um den Ausblick von dort oben noch für uns allein zu haben. Nur leider streikt unser Auto, in der Morgenkühle auf 3200 m will er einfach nicht anspringen. So wird georgelt, der Moppel rausgeholt, erst das Anschieben mit vereinten Kräften von 4 Personen und abwärts rollen startet ihn schließlich. Wir schaffen es rauf bis zum Cristo Redentor „Erlöser“ einer Statue, die an das friedliche Ende der Grenzstreitigkeiten 1902 zwischen Chile und Argentinien erinnert. Hier oben gibt es heißen Kakao und wir sitzen lange in der Sonne, bis die ersten Touristenbusse eintrudeln. Kimmy nimmt die 8 km Abfahrt nach Chile mit dem Rad, während wir doch sicherheitshalber die etwas weniger steile Strecke in Argentinien wieder runterfahren, nochmal den Tunnel passieren und Kimmy auf der chilenischen Seite wieder einsammeln. Beim Grenzübergang zurück nach Chile ist das erste Mal das Corona Virus ein Thema. Wir müssen einen extra Zettel ausfüllen, dürfen vorher nicht aus dem Auto aussteigen und bei Kimmy wird sogar Fieber gemessen. Die Nachrichten zum Virus in Deutschland überschlagen sich auch immer mehr und so wird der Abschied am Flughafen noch schwerer als sowieso. Vermissen dich und haben dich lieb, du Snackqueen!

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